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HandwerkspolitikVollversammlung: Mehr politisches Fingerspitzengefühl gefordert

Das Thema Energiewende bestimmte die Vollversammlung der Handwerkskammer Anfang Juli in Stuttgart. Stimmige politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen seien gerade in Zeiten des Umbruchs von großer Bedeutung, betonte Kammerpräsident Rainer Reichhold. Auch der neue Handwerkspolitische Bericht wurde vorgestellt.



 Branche muss gestärkt aus Umbruch hervorgehen 

Von großer Bedeutung seien gerade jetzt in Zeiten des Umbruchs „stimmige politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen“, betonte Kammerpräsident Rainer Reichhold bei der Vollversammlung am 3. Juli. Dabei weist er auf die fachliche Expertise des Handwerks hin, die bei Gesetzgebungsverfahren durchaus genutzt werden könnte. „Aufgrund seiner besonderen Rolle als Umsetzer der Energiewende sollte das Handwerk entsprechend in Prozessen zur Gesetzgebung auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene von Beginn an eingebunden werden. Unzufriedenheit kann so reduziert und Planbarkeit erhöht werden.“

Ziel der Handwerksorganisation sei, dass die Branche gestärkt aus dem Strukturwandel, den demografischen Umbrüchen und der geopolitischen Zeitenwende hervorgehe. Dafür müsse die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, indem sie die berufliche Ausbildung aufwertet, Gründungen und Innovationen fördert, die Digitalisierung konsequent umsetzt und Zuwanderung erleichtert.

Erfreulich sei, dass bei den Änderungen am Gesetzentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) zentrale Forderungen des Handwerks aufgegriffen wurden, sodass beispielsweise erst beim Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung die Verpflichtung zum Einsatz von 65 Prozent Erneuerbaren Energien greift.

Sorgen bereiten dem Handwerk nach wie vor Lieferkettenprobleme bei Material für Photovoltaikanlagen. „Vor einigen Jahren gab es in Deutschland noch eine nahezu vollständige PV-Lieferkette. Daher unterstützen wir den Vorstoß, die Produktion von Solarmodulen, Photovoltaik-Wechselrichtern und Komponenten wieder in Deutschland und Europa attraktiv zu machen“, so Reichhold.

Bildungsakademie soll erweitert werden

Um die notwendige Qualifizierung des Personals in Klimaberufen anbieten zu können, befasste sich das Gremium auch mit der Erweiterung der Bildungsakademie der Handwerkskammer in Stuttgart Weilimdorf. Sie trägt durch ihr Engagement in der überbetrieblichen Ausbildung insbesondere in den Gewerken Sanitär-Heizung-Klima, Kraftfahrzeugtechnik und Karosserie- und Fahrzeugbauer zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in diesen für die Transformation notwendigen Berufen bei. Das Gremium stimmte dafür, das Bewilligungsverfahren anzustoßen. 

Weitere Informationen finden Sie in unsererPressenachricht vom 3. Juli sowie im Handwerkspolitischen Bericht, der bei der Vollversammlung vorgestellt wurde:



Praesidium-Rainer-Reichhold
Handwerkskammer Region Stuttgart





Pressenachricht

Lesen Sie hier, welche Themen in der Vollversammlung besprochen und welche Beschlüsse gefasst wurden.

Pressenachricht 023/2023





 Ergänzungen zum Handwerkspolitischen Bericht nach Redaktionsschluss


Aufgrund des Redaktionsschlusses vom 20. Juni 2023 konnten wichtige Änderungen im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung (Weiterbildungsgesetz) nicht in unseren Bericht einfließen. Hier ergänzen wir unsere Bewertungen der geänderten Eckpunkte, die der Deutsche Bundestag am 23. Juni 2023 gebilligt hat.


Die Bildungswende ist Voraussetzung für die nachhaltige Fachkräftesicherung im Handwerk und damit für das Gelingen von Transformation. Mit dem Weiterbildungsgesetz wird diese Bildungswende jedoch nicht eingeleitet. Impulse im Gesetz konzentrieren sich auf den Bereich der Ausbildung, adressieren jedoch nicht die Knackpunkte:



  • Im Handwerk sehen wir ein Passungsproblem: Dass Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben, liegt an fehlenden Bewerberinnen und Bewerbern. Diese Herausforderung greift der ganzheitliche Ansatz der Ausbildungsgarantie zwar auf, indem der Übergang von der Schule in die Ausbildung etwa durch Berufsorientierungsmaßnahmen und Praktika unterstützt werden soll. Das Passungsproblem wird jedoch durch die Ausbildungsgarantie nicht gelöst, sondern verschärft sich unter Umständen sogar.
  • Bei der Umsetzung der Ausbildungsgarantie vor Ort droht eine außerbetriebliche Konkurrenz zu den betrieblichen Angeboten zu entstehen, denn allein die Arbeitsagenturen sollen die Regionen mit einer „erheblichen Unterversorgung“ an betrieblichen Ausbildungsplätzen identifizieren, in denen ein Anspruch auf ein außerbetriebliches Ausbildungsangebot bestehen wird. Eine festgeschriebene Einbindung der Handwerkskammern als zentrale, regionale Akteure der Berufsbildung ist in diesem Entscheidungsprozess nicht vorgesehen. Bei einem anhaltend hohen Bewerbermangel im Handwerk befürchten wir nun eine weitere Verdrängung betrieblicher Ausbildung durch eine praxisferne außerbetriebliche Ausbildung, die nicht dem Bedarf der Wirtschaft entspricht.

Positiv hervorheben möchten wir, dass in der Gesetzesbegründung unverändert auf eine branchenübergreifende Ausbildungsumlage zur Finanzierung der Ausbildungsgarantie verzichtet wird. Im Vergleich zum Regierungsentwurf hat sich außerdem die Zahl der Familienheimfahrten im ersten Ausbildungsjahr, die durch einen neu eingeführten Mobilitätszuschuss geförderten werden, auf zwei pro Monat erhöht. Dadurch wird die Bedeutung der überregionalen Mobilität von Auszubildenden unterstrichen.

Das Gesetz ist nicht zustimmungspflichtig, eine abschließende Beratung durch den Bundesrat erfolgt voraussichtlich am 7. Juli 2023.

Aufgrund des Redaktionsschlusses vom 20. Juni 2023 konnten wichtige Änderungen im Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung nicht in unseren Bericht einfließen. Hier ergänzen wir unsere Bewertungen der geänderten Eckpunkte, die der Deutsche Bundestag am 23. Juni 2023 gebilligt hat.


Das novellierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz enthält zahlreiche gute Ansätze, um den Zuzug von ausländischen Fachkräften, die im Handwerk so dringend benötigt werden, zu erleichtern. So wird zu Recht erstmals für ausländische Fachkräfte mit Berufserfahrung ein Zuwanderungsweg geschaffen, auf dem ein Anerkennungsverfahren auch nachträglich erfolgen kann. Positiv zu bewerten ist zudem, dass die Westbalkan-Regelung ausgeweitet und entfristet wurde. Ob die Erleichterungen beim Familiennachzug oder die Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche auf Basis eines Punktesystems tatsächlich zu mehr Erwerbsmigration führen, wird sich allerdings erst in der Praxis zeigen.



Positiv mit Blick auf die Beschäftigung von bereits in Deutschland lebenden Schutzsuchenden ist, dass für im Asylverfahren befindliche geflüchtete Menschen die Ausbildungsduldung umgewandelt wird in eine Aufenthaltserlaubnis. Bereits in der Vergangenheit hat sich das Handwerk intensiv für die Berufsausbildung von anerkannten oder geduldeten Asylbewerbern engagiert und ihnen eine Ausbildung ermöglicht. Wir erwarten nun, dass die neue Regelung bundeseinheitlich und rechtssicher durchgeführt wird.

Wir begrüßen es sehr, dass eine unserer langjährigen Forderungen aufgegriffen wurde und ein Spurwechsel im Asylverfahren ermöglicht wird. Geflüchtete, die vor dem 29. März 2023 Asyl beantragt haben, können dadurch eine Anerkennung als Fachkraft erhalten und haben somit eine attraktive Bleibeperspektive.

Damit all diese Regelungen tatsächlich greifen und Fachkräfte aus dem Ausland schnell und in ausreichend großer Zahl nach Deutschland kommen, müssen diese nun rasch und unbürokratisch umgesetzt werden. Nach wie vor jedoch dauern Visaverfahren zu lange, die Ausländerbehörden sind überlastet und vor allem den kleinen und mittelständischen Betrieben fehlt es an konkreten Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen bei der Integration vor Ort. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Schaffung effizient aufgestellter Verwaltungsstrukturen vor Ort.

Das Gesetz und die Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung werden voraussichtlich am 7. Juli 2023 im zweiten Durchgang im Bundesrat beraten.

Aufgrund des Redaktionsschlusses vom 20. Juni 2023 konnten wichtige Details einer Einigung der Koalition am 28.6. nicht in unseren Bericht einfließen. Hier ergänzen wir unsere Bewertungen der geänderten Eckpunkte. Der geänderte Gesetzestext liegt zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.


Förderung für Geringverdiener
Die Förderung für den Einbau von klimafreundlichen Technologien soll großzügig ausfallen. Die ursprüngliche Ausnahme für Hauseigentümer ab 80 Jahren wird nicht mehr im Gesetz enthalten sein. Stattdessen sollen Ausnahmen entlang von Einkommensgrenzen gewährt werden. Dies entspricht unseren Forderungen und wir begrüßen diese Entscheidung.

Der Umstieg auf klimafreundliche Wärme soll mit einer Grundförderung für alle in Höhe von 30 Prozent unterstützt werden. Wer im Eigenheim wohnt und unter 40.000 Euro zu versteuernden Einkommen verfügt, soll weitere 30 Prozent Förderung zusätzlich erhalten. Wenn der Heizungstausch bereits bis 2028 erfolgt, soll es einen Geschwindigkeitsbonus in Höhe von 20 Prozent geben. Die Förderungen können addiert werden und sind bei maximal 70 Prozent gedeckelt. Finanziert wird das Vorhaben aus dem Klima- und Transformationsfonds.



Gasheizungen
Bis zum Vorliegen einer kommunalen Wärmeplanung können auf Wasserstoff umrüstbare Gasheizungen eingebaut werden. Danach ist dies nur möglich, wenn die Kommune in ihrer kommunalen Wärmeplanung ein Wasserstoff-Erwartungsgebiet ausgewiesen hat und zugleich eine verbindliche Vereinbarung mit dem Versorger zur Umstellung der Gas- auf Wasserstoffnetze vorliegt. Aufgrund der schlechten Verfügbarkeit und des hohen Preises von Wasserstoff baut das Gesetz auf eine verpflichtende, vorgelagerte Beratung, die die Bürger vor teuren Fehlinvestitionen schützen soll.

Insgesamt sind die jüngsten Änderungen positiv zu bewerten. Vor allem die Kopplung des GEG an die kommunale Wärmeplanung.

Der Gesetzestext soll in der ersten Juliwoche beraten und verabschiedet werden. Zur Stunde ist ungeklärt, ob dies gelingt.



Jährlicher Bedarf an Wärmepumpen
2022 wurden laut Branchendaten knapp 600.000 neue Gasheizungen in Deutschland eingebaut. Wärmepumpen erlebten einen großen Zuwachs um gut die Hälfte gegenüber dem Vorjahr, es wurden 236.000 Geräte abgesetzt. Um das Klimaziel von 55 Prozent Emissionsminderung bis 2030 erreichen zu können, müssten in den kommenden sieben Jahren mehr als 500.000 Wärmepumpen pro Jahr installiert werden.

Wie dieses zusätzliche Volumen vom Handwerk bewerkstelligt werden soll, ist  vor dem Hintergrund der Verfügbarkeit des Materials und des Fachkräftebedarfs beziehungsweise des Bedarfs an der Weiterqualifizierung zur Wärmepumpeninstallation noch unklar.







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