Pressenachricht Nr. 004/2011 vom 9. Februar 2011

Handwerk in der Region wächst

"Zulassungsfreie" stark im Kommen

Immer mehr Handwerker gehen wieder den Weg in die Selbstständigkeit. Zum Jahresende 2010 gab es 29.712 Handwerksunternehmen im Bezirk der Handwerkskammer Region Stuttgart. Das sind 107 mehr (plus 0,4 Prozent) als ein Jahr zuvor. Dies geht aus der Statistik der Handwerkskammer hervor. Die meisten Gründer verzeichnete der Rems-Murr-Kreis mit 75 zusätzlichen Betrieben. Zu den Verlierern gehört die Landeshauptstadt - der Saldo ergab 119 Betriebe weniger. Die einzelnen Handwerksgruppen entwickelten sich aufgrund ihrer Zugangsberechtigungen völlig unterschiedlich. Die 2004 novellierte Handwerksordnung lässt in weiten Bereichen des Handwerks den Einstieg in die Selbstständigkeit ganz ohne Qualifikation zu.

"Der Trend, nur die geringste Einstiegshürde in die Selbstständigkeit im Handwerk zu nehmen, hält an", bilanziert Jürgen Rüdinger, Teamleiter Handwerksrecht bei der Handwerkskammer Region Stuttgart die Situation. Zum einen häufen sich Fälle, bei denen beim Gründer nur bescheidene fachliche Qualifikationen vorliegen, weil die gesetzlichen Anforderungen bei Null liegen. Aber auch die überlebenswichtigen unternehmerischen Fähigkeiten kämen bei Gründern häufig zu kurz. "In der komplexen Arbeitswelt ist es nicht damit getan, auf der Baustelle oder in der Werkstatt einen guten Job zu machen. Um nachhaltigen Erfolg zu haben, gehören hinreichende Qualifikationen im betriebswirtschaftlichen, finanziellen und steuerlichen Bereich zur Sinn stiftenden Unternehmensführung zwingend dazu", weiß Rüdinger. "Sonst kann auch unser Starter-Center keine Weichenstellung in die unternehmerische Zukunft sein, ins selbst verschuldete Fiasko sollte möglichst niemand springen."

Besonders im zulassungsfreien Handwerk lässt sich der Trend zum ungehinderten Einstieg ablesen. Dort legte der Bestand von 5294 um 296 auf  5590 Unternehmen zu (plus 5,3 Prozent). Rechtsexperte Jürgen Rüdinger: "Eine fachliche Qualifizierung in diesen Berufen muss nicht mehr nachgewiesen werden - deshalb sind hier nach der Durststrecke der Konjunkturkrise Könner und Glücksritter gleichermaßen unterwegs." Besonders stark zugelegt haben die Fliesenleger mit 97, die Raumausstatter mit 77 und die Gebäudereiniger mit 72 zusätzlichen Betrieben. Besonders auffallend entwickelte sich das Fotografenhandwerk. Mit einem Zuwachs von 46 Betrieben war Ende 2010 ein Bestand von 339 Betrieben zu verzeichnen.

Mehr Abmeldungen als Anmeldungen hatten die sogenannten meisterpflichtigen Vollhandwerke zu verzeichnen. Bei deren Gründung muss als Regelqualifikation die Meisterprüfung oder eine andere vergleichbare Qualifikation wie beispielsweise ein Ingenieur- oder Technikerabschluss vorhanden sein. Der Bestand fiel um 85 von 18.838 auf 18.753. "Diese Entwicklung erfüllt uns mit Sorge, weil wir dadurch nicht nur ein Nachlassen der Qualität der handwerklichen Leistungen befürchten, sondern auch die Fähigkeit und Bereitschaft zur Ausbildung massiv gefährdet sehen", betont Jürgen Rüdinger. Die Erfahrung habe gezeigt, dass gerade Meisterbetriebe die Wirtschaftskrise besser überstanden haben.

Zu Betriebsaufgaben (minus 136) kam es im industrienahen Metall- und Elektrohandwerk. Die Feinwerkmechaniker und die Elektrotechniker waren mit 55 und 35 Betrieben am stärksten betroffen. Das Nahrungsmittelhandwerk spürte einmal mehr die Konkurrenz zu Supermärkten und die Auswirkungen der Filialisierung sowie das geänderte Einkaufsverhalten der Verbraucher. 20 Betriebe weniger waren gemeldet.

Erfreulich ist die Entwicklung im Ausbauhandwerk. Im Gegensatz zu den Vorjahren konnte mit 20 zusätzlichen Betrieben erstmals wieder ein Zuwachs an Maurern, Zimmerern, Dachdeckern und Stuckateuren festgestellt werden. Die Gesundheits- und Körperpflegehandwerke setzten dank den Friseuren ihren Wachstumskurs fort und sind mit einem Zuwachs von 64 Betrieben Spitzenreiter in der Gruppe der Vollhandwerke.

Von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung verlieren die handwerksähnlichen Gewerbe. Mit 5369 Betrieben sind sie die zahlenmäßig schwächste Gewerbegruppe. 2010 musste erneut wie in den Vorjahren ein Verlust von 104 Betrieben registriert werden. Der Attraktivitätsverlust ist darauf zurückzuführen, dass durch die Einführung der zulassungsfreien Handwerke anlässlich der Handwerksrechtsnovelle vormals meisterpflichtige Vollhandwerke qualifikationsfrei gestellt wurden. Neugründungen erfolgen nun gleich bei den zulassungsfreien Handwerken, um die breitere Leistungspalette nutzen zu können. Beispiele sind die Bodenleger und Teppichreiniger. Sie haben Rückgänge zu verzeichnen, wogegen die Raumausstatter und Gebäudereiniger im zulassungsfreien Handwerksbereich zugelegt haben.



Handwerksbetriebe in den Landkreisen - Stand 31.12.2010 (in Klammern 2009)

Landkreis Böblingen3731(3722)   
Landkreis Esslingen5852(5787)   
Landkreis Göppingen3389(3419)   
Landkreis Ludwigsburg5623(5516)   
Landkreis Rems-Murr5371(5296)   
Stadt Stuttgart5746(5865)   
gesamt29.712(29.605)   


Die TOP 10: Handwerke mit den höchsten Bestandszahlen

1.Friseure2650
2.Elektrotechniker2277
3.Kraftfahrzeugtechniker1697
4.Installateure und Heizungsbauer1640
5.Kosmetiker1418
6.Fliesen-, Platten- und Mosaikleger1379
7.Einbau von Baufertigteilen1324
8.Maler und Lackierer1265
9.Feinwerkmechaniker1237
10.Gebäudereiniger1184


Statistik der Betriebe 2010 (pdf-Dokument, 68 KB)

 


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